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Offene Fragen
Existentmale International visualisiert anschaulich und nachvollziehbar, wie im Zuge der Globalisierung eine internationale Ausbreitung eines ähnlichen Phänomens auf eine lokale Kultur trifft und damit einen eigenen Charakter erhält.
Gleichzeitig werden in der Projektkommunikation mit den relevanten Verkehrsbetrieben die Möglichkeiten, Freiheiten und Ängste der Verantwortlichen aufgezeigt. Wie kann ein Londoner Oberbürgermeister davon überzeugt werden, dass die Teilnahme an einem Kunstprojekt positiv bewertet wird und nicht in einem Shitstorm der Yellow Press untergeht?
Resultate
Schriftliche Kommunikation mit den Verkehrsbetrieben und Reaktionen auf das Projekt, die zusammen mit den Radierungen der Originalfenster gezeigt werden, bilden die Grundlage für öffentliche Präsentationen.
Darüber hinaus halten in verschiedenen Städten erstellte Fotoserien das jeweilige lokale Phänomen des Scratching fest.
Prozess
Vertretene Scratching-Städte: Amsterdam, Berlin, Budapest, Mailand, New York, Paris, Zürich, Wellington (Neuseeland)
Vertretene nicht-kratzende Stadt: Shanghai
Weitere geplante Vertretungen: Kairo, Istanbul, London, Tel Aviv.
Idee
Ein internationales Phänomen mit starkem lokalem Bezug.
Zerkratzte Schilder an den Fenstern öffentlicher Verkehrsmittel werden in Drucke verwandelt.
Existentmale befasst sich mit dem Phänomen der Nutzung von Fenstern öffentlicher Verkehrsmittel als kommunikative Displays von zerkratzten Schildern.
Geplant ist die Darstellung von sieben europäischen und sieben außereuropäischen Metropolen aus 14 Ländern.
Nach der Freigabe der Fensterscheiben durch die jeweiligen Nahverkehrsunternehmen werden diese in unverändertem Zustand als Original-Ritzschilder verwendet.
Aus Städten, in denen Scratching ein fester Bestandteil des Stadtbildes ist, werden jeweils drei Fenster in das Projekt aufgenommen.
Städte, in denen es zum Zeitpunkt der Erfassung keine oder kaum Kratzspuren gab, werden mit je einem Fenster in das Projekt aufgenommen.
Existentmale wird somit zwischen 40 und 60 Fenster umfassen.
Articles in their original language (Portuguese, Chinese, etc)
Offene Fragen
Reproduktionen der menschlichen Gesichtshaut aus selbst hergestellten Substanzen werden in verschiedenen zweidimensionalen Formen angelegt. Was sehen wir eigentlich im und auf dem Gesicht eines Menschen? Wie werden drei Dimensionen auf zwei reduziert? Wie unhinterfragt muss unsere Sehgewohnheit sein? Wird diese neue Art von Porträt unsere Wahrnehmung von uns selbst verändern?
Resultate
Die Filter erfassen die Hautoberfläche an leicht zugänglichen und glatten Stellen im Detail. Um Vertiefungen und unterschnittene Bereiche zu entfernen, müssen die Filter optimiert werden.
Die Chemikalien haften gut an den Proteinen und machen die Hautstrukturen blau oder rötlich-golden sichtbar.
Wie das Porträt seine Dreidimensionalität verliert, während möglichst viele Informationen in die Zweidimensionalität transportiert werden, und die Frage der Erkennbarkeit und Akzeptanz bei den Empfängern, muss noch mit weiteren Porträtierten erarbeitet werden.
Es wird eine Serie von Porträts entstehen, die 366 Porträts für ein Schaltjahr entsprechen. Sie beziehen sich auf die letzte Strophe von Gottfried Benns Gedicht Nur zwei Dinge: "Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, alles, was blühte, ist verblüht, es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeichnete Ich."
Prozess
Bei einem lebenden Menschen werden ständig körpereigene Partikel (Proteine und Fette) auf der Haut abgelagert. Bei Protelics werden diese Partikel durch neu entwickelte biochemische Papiere und Filter absorbiert, die direkt auf das Gesicht aufgetragen werden. Die Oberfläche der Gesichtshaut funktioniert wie ein Stempel. Falten, Poren und Haare werden bis ins kleinste Detail reproduziert. Anschließend werden die Proteine und Fette durch ein spezielles chemisches Verfahren aufgezeichnet und farblich sichtbar gemacht. Die biochemische Effizienz und ein allgemeines ästhetisches Moment sind die entscheidenden Faktoren bei der Farbwahl. Entscheidend ist eine präzise Darstellung der Hautgeschichte. Die abgebildeten Proteine haben keine Hautfarbe und der Betrachter läuft nicht Gefahr, sie rassischen Kategorien zuzuordnen.
Wenn der Abdruck mit größter Sorgfalt und Genauigkeit erstellt wurde, ermöglichen die Gesichtschemikalien eine exakte Darstellung. Es entsteht ein Porträt, das nicht nur die Form und den Ausdruck des Porträtierten widerspiegelt, sondern aus seiner realen Materialität besteht.
Idee
In Zeiten der Selbstreflexion in einer Flut von digitalen Bildern, vor allem Selfies, gewinnt das Porträt eine neue Bedeutung. Es bleibt ein Medium der Re/Präsentation. Allerdings, oft nur
für den flüchtigen Moment, bleibt es in der Cloud über Jahre hinweg für jeden zugänglich.
Mit ästhetischen Mitteln kreisen meine Arbeiten seit Jahren um Fragen unserer flüchtigen Gedächtnisspeicherung, um das Eingeworfene, Eingekratzte, um Zeichnungen als spontane Schöpfungen, die den Augenblick befriedigen, aber eigentlich für die Ewigkeit bestimmt sind. Die künstlerische Haltung, eine Skizze von Leonardo da Vinci zum Beispiel, die auf den Autor verweist, seine Identität bestätigt, ist ein Vorgang, den die abendländische bildende Kunst spätestens seit der Renaissance kennt.
Was bedeutet es, wenn dieses Verfahren auf Schulbänken, auf Fenstern von öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Denkmälern und Bauwerken wie der Chinesischen Mauer angewendet wird? Ist es Ausdruck einer Ästhetisierung des Alltags oder impliziert es, dass jeder Mensch ein Künstler ist? Warum muss eine materielle Spur von einem Selfie für das Internet begleitet werden? Dieses Phänomen ist nicht an die soziale Schicht oder Bildung gebunden.
Der Präsident der Republik Slowenien freut sich genauso, wenn er anlässlich der Grafikbiennale in Ljubljana etwas in eines meiner gläsernen Gästebücher kritzeln darf, wie der Museumsdirektor in Bremen oder der Obdachlose, der den weiten Weg nach Kassel zur documenta zurückgelegt hat. Und was ist mit dem Selfie für die sozialen Medien? Wir spüren, dass es im Fluss ist und haben keine Macht darüber, ob und wie es im Meer der Bits und Bytes verschwindet.
In meiner EPOFAKT-Inszenierung entstehen innerhalb von zwei bis drei Stunden rund 300 kleine Bilder: drei überleben in einem fiktiven Museum.
In DeskXistance, einer globalen Studie, werden die Kratz- und Ritzspuren von über 300 Schultischplatten, die über Jahre hinweg von Schülern während des Unterrichts entstanden sind, in Abzüge verwandelt.
In Existentmale, ebenfalls eine globale Studie, werden die von Jugendlichen zerkratzten Fenster von U-Bahnen in Drucke verwandelt.
Und in Wandmale - Stigmata werden Versuche, durch Namensgravuren an kulturgeschichtlichen Orten eine individuelle Existenz zu schaffen, mittels Frottage festgehalten.
Protelics bietet eine bessere Alternative zu dem, was mir als verzweifelter Versuch erscheint, in der Masse sichtbar zu werden, sei es durch physische Inschriften oder durch auf Facebook gepostete Selfies. Man kann sein Porträt mit der eigenen Haut oder durch das eigene Gesicht mit seinen körperlichen Spuren des Lebens erstellen. Das Selbst ist schon da - es muss nur übertragen werden, um im Bild unmittelbar präsent zu sein.
In diesem Porträt wird der Protagonist nicht durch die Hand des Künstlers" interpretiert: Die Versuchsanordnung und der Prozess des Porträtierens sind das Artefakt. Der Porträtierte wird einfach durch seine eigenen Proteine präsent sein. Aber nicht durch irgendwelche Proteine. Sie zeichnen nicht die Physiognomie des Gesichts nach. Sie sind nicht mimetisch, sondern waren - vor dem Aufbringen des Filterpapiers - die eigentliche Epidermis des Gesichts, seine Schutzhaut.
Porträtmalerei und Fotografie sind zweidimensional. Ein menschliches Gesicht ist dreidimensional. Eine gesunde Haut ist voller Leben: Schweiß, Fette, Proteine und Bakterien.
Spätestens seit der Renaissance ist unsere Sehgewohnheit der Gesichtserkennung eine Selbstverständlichkeit und wir stellen uns kaum die Frage, was wir eigentlich erkennen. In der Regel können wir das Gesicht einer bestimmten Person zuordnen. Dieser Prozess wird durch digitalisierte Gesichtserkennung und biometrische Daten bestätigt und verstärkt. Trotz 3-D-Modellen bleibt jede Darstellung auf dem Bildschirm zweidimensional.
Warum sollten der Abstand zwischen den Augen und die Länge der Nase für mich als Gegenüber wichtiger und interessanter sein als all die Geschichten, die die Haut erzählt?
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